Wir erwähnten bereits, daß sie verheiratet und Mutter eines Jungen war. Dank diesem
Umstand wurde ihr persönliches Tagebuch überliefert, welches sie ihrem Sohn vermachte.
1639, als Claude 19 war, nahm er seiner Mutter ein Versprechen ab, alle ihre
Lebensentscheidungen ihm schriftlich zu erklären, damit er sie endlich verstehen kann.
Sie hielt ihr Versprechen und ermöglichte uns das Privileg, ihren inneren Weg bis in die
Einzelheiten zu kennen.
Marie Gyuart hat 15 Jahre gebraucht, bis sie moralisch imstande war, diesen langen
Erklärungsbrief über ihr inneres Leben zu verfassen. Wir kennen die wichtigsten
Faktoren, die zu verschiedenen Zeitpunkten ihre gesellschaftlichen Handlungen und ihre
Lebensentscheidungen beeinflußten. Dieser berühmte Briefwechsel, der vor allem unter dem
Namen eines "Autobiographischen Berichtes von 1654" bekannt ist, wird als
eins der Meisterwerke der französischen Literatur im Zeitalter der Mystik angesehen.
Um 1900 wurde eine Abschrift des Berichtes im Ursulinenkloster bei
Trois-Rivières entdeckt. Wegen der unsicheren Postwege wurden die wichtigsten Briefe
wahrscheinlich regelmäßig kopiert. 1906 veröffentlichte Vater Jamet eine detaillierte
Studie eines ganzen Briefes von 1654. Seitdem werden immer neue Forschungen publiziert und
neue Materialien entdeckt. Heute noch befassen sich damit mehrere Forscher in
verschiedenen Ländern der Welt.
Marie Gyuart ist eine der wenigen weiblichen Autoren ihrer Zeit in Europa. Die Vielzahl
ihrer Schriften räumt ihr eine besondere Stellung ein. Das hatte sie wohl kaum
vorgesehen, denn sie versuchte nur, vor ihrem Sohn eigene Lebensentscheidungen zu
rechtfertigen. Unser Drehbuch konnte aber im Bericht reichlich Inspiration
schöpfen.